Die Krone der Schöpfung

Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum steht der Mensch nicht an der Spitze der Evolution. Zumindest wenn man den richtige Maßstab anlegt…

Das Internet beweist: Keine gute Überlebensfähigkeit von Menschen

Wir kennen alle die alte Geschichte: Nach Millionen von Jahren der harten Evolution hat sich irgendwann der Mensch an Spitze dieses Prozesses gesetzt. Der Mensch beweist seine Überlegenheit nicht nur durch einzigartige Intelligenz, sondern auch durch raffinierte Sprache, außergewöhnliche Fingerfertigkeit und eine unübertroffene Findigkeit beim Erstellen und Benutzen von Werkzeugen. Aber ist das wirklich so? Sind wir wirklich die Krone der Schöpfung, zu der wir uns selbst ernannt haben?

Es gibt ernsthafte Gründe, an dieser These zu zweifeln. Erfolgreiche Evolution zeichnet sich ja unter anderem durch eine besonders hohe Überlebensfähigkeit aus. Ein kurzer Ausflug ins Internet wird jeden davon überzeugen können, dass der Homo Sapiens in dieser Kategorie nicht besonders gut ausgestattet ist.

Ich glaube nicht, dass schon einmal irgendein Organismus außer dem Menschen bei dem Versuch gestorben ist, aus einer selbstgebauten Rakete heraus zu beweisen, dass die Erde eine Scheibe ist [1]. Genauso kann ich mir schwer vorstellen, dass beispielsweise ein Pferd sein Lebensende darin gefunden hat, ein verunglücktes Selfie auf einer besonders hohen Klippe zu machen.[1

In der Evolution kommt es auf Fortpflanzung an

Überlebenstechnisch versagen wir also auf ganzer Strecke. Zur Ehrenrettung des Menschen muss man jedoch auch anführen, dass sich evolutionärer Erfolg nicht nur an dem Verhalten in der Nähe von lebensgefährlichen Abhängen misst. Nein, es kommt viel mehr darauf an, wie viele fortpflanzungsfähige Nachkommen man im Laufe des Lebens zeugt [2]. Wenn man nämlich in seiner Jugend genügend Kinder produziert hat, ist es egal, ob man dann mit 40 aus Versehen den Kopf zu hoch aus dem Helikopter streckt. Zumindest, wenn man nach Evolutionskriterien geht. Doch auch hier sieht es eher mau für uns aus. Statt an der eigenen Vermehrung zu Arbeiten haben wir einer anderen Spezies das Sprungbrett zur Evolutionskönigin gebaut: Dem Huhn. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gab es 2022 über 33 Milliarden Hühner auf der Welt [3], bei nur circa 8 Milliarden Menschen [4]. Jeder Vegetarier wird nun kopfschüttelnd anmerken, dass man das ganze Unglück ja hätte vermeiden können, wenn sich nicht alle so furchtbar kopflos Fleisch in sich hineinschaufeln würden. Jeder durchtriebene Fleischesser wird hierauf jedoch erwidern können, dass wenn er nicht so viele Hühner gegessen hätte, es ja noch viel mehr von ihnen geben würde.

Die Krone gehört nicht uns

Hühner hin oder her, wenn man die Ameisen mitzählt, verlieren wir sowieso. Stolze 20 Billiarden soll es von ihnen laut Forscherinnen der Universität von Hong Kong (HKU) geben [5]. Ganz zu schweigen von Bakterien, denen griechische Forscher ganze 5 Quintillionen Mitglieder zugesprochen haben [6]. Wirklich beeindruckend, dass jemand so weit zählen kann

Wenn man in Evolutionskriterien misst, sieht es für Menschen also nicht so gut aus im Wettkampf um die Krone der Schöpfung. Zumindest bei den Hühnern haben wir uns selbst ins Aus gestoßen. Wenn wir es nicht auch noch mit unserem Rinderkonsum übertreiben, können wir uns zumindest zahlenmäßig die Krone der Säugetiere aufsetzen. Damit gehört der Mensch aber eher in die Regionalliga im evolutionären Spiel der Lebewesen. Ob wir es noch höher schaffen bevor wir uns selbst auslöschen?


Quellen

[1] List of selfie-related injuries and deaths. Wikipedia. https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_selfie-related_injuries_and_deaths

[2] Barker, J. (2009). Defining Fitness in Natural and Domesticated Populations. In Springer eBooks (pp. 3–14). https://doi.org/10.1007/978-1-4020-9005-9_1

[3] Food and Agricultural Organisation of the United Nations. (2023). Crops and livestock products. Faostat. https://www.fao.org/faostat/en/#data/QCL

[4] United Nations Department of Economic and Social Affairs. (2022). World Population Prospects 2022. Retrieved June 8, 2023, from https://www.un.org/development/desa/pd/sites/www.un.org.development.desa.pd/files/wpp2022_summary_of_results.pdf

[5] Schultheiss, P., Nooten, S. S., Wang, R., Wong, M. E., Brassard, F., & Guénard, B. (2022). The abundance, biomass, and distribution of ants on Earth. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 119(40). https://doi.org/10.1073/pnas.2201550119

[6] Whitman, W. B., Coleman, D. C., & Wiebe, W. J. (1998). Prokaryotes: The unseen majority. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 95(12), 6578–6583. https://doi.org/10.1073/pnas.95.12.6578